Im Jahr 2008 hat der Regierungsrat die Gesamtmobilitätsstrategie (GMS) erlassen. Seither haben sich das Umfeld der Mobilität, das Verkehrsangebot und das Verkehrsverhalten im Kanton Bern verändert: Besonders in städtischen Gebieten wächst die Bevölkerung und damit auch der Verkehr. Die Digitalisierung entwickelt sich stark, und das Teilen von Verkehrsmitteln (Sharing) nimmt zu. Auch der Veloverkehr wächst insbesondere wegen der Beliebtheit von E-Bikes überdurchschnittlich stark.
Die aktualisierte und vom Regierungsrat verabschiedete «Gesamtmobilitätsstrategie Kanton Bern 2022» (GMS 2022) reagiert auf solche Veränderungen. Sie zeigt auf, nach welchen übergeordneten Zielen und Strategien der Regierungsrat seine Aufgaben im Mobilitätsbereich erfüllen will. Die GMS 2022 baut auf der bewährten 3V-Strategie auf (Verkehr vermeiden, verlagern und verträglich gestalten). Neu wird sie zur 4V-Strategie (Verkehr vernetzen) erweitert. Ein weiteres neues Element der GMS 2022 sind die Handlungsfelder. In neun Bereichen zeigen sie auf, wie die 4V-Strategie konkret in die verschiedenen kantonalen Planungsinstrumente einfliessen und umgesetzt werden soll.
Verkehrsmittel und Mobilitätsangebote enger vernetzen
Wegen der zahlreichen Herausforderungen im Verkehrsbereich braucht es in Zukunft flexiblere, gemeinsam genutzte und auf die verschiedenen Regionen des Kantons ausgerichtete Mobilitätsangebote. Die GMS 2022 will die verschiedenen Verkehrsmittel mit der 4V-Strategie besser vernetzen, um attraktive Wegketten mit aufeinander abgestimmten Verkehrsmitteln zu schaffen (z. B. Velo, öffentlicher Verkehr, Car-Sharing, Individualverkehr). Die Strategie schafft die Voraussetzungen, um Mobilitätsangebote auch digital zu verbinden und weiterzuentwickeln, um das System zu optimieren, besser zugänglich zu machen und zu vereinfachen.
Mit dem neuen Schwerpunkt der Vernetzung orientiert sich der Kanton Bern unter anderem an den Entwicklungen auf Bundesebene. Mit der Realisierung der NADIM (nationale Datenvernetzungsinfrastruktur Mobilität) will der Bund das Mobilitätssystem mit vernetzten Daten schweizweit effizienter gestalten. In Zukunft soll es beispielsweise einfacher werden, für eine Reise verschiedene Verkehrsmittel zu kombinieren. Dies will der Bund durch attraktive Verkehrsdrehscheiben an wichtigen Haltestellen des öffentlichen Verkehrs erreichen. Dort soll es ein entsprechendes Angebot an Abstellplätzen, Sharing-Angeboten und einen einfachen Zugang zu den Verkehrsmitteln geben.
Ein leistungsfähiges und nachhaltiges Mobilitätssystem
Die GMS 2022 zeigt einerseits auf, welche Herausforderungen im Gesamtverkehrssystem auf den Kanton Bern zukommen. Andererseits verfolgt der Kanton Bern mit der in der Strategie definierten Vision eine auf ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Nachhaltigkeit ausgerichtete Mobilitätspolitik. Das heisst: Sie soll durch ein leistungsfähiges, sicheres und finanzierbares Gesamtverkehrssystem zur gesellschaftlichen Entfaltung und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Die digitale Vernetzung, der kombinierte Gebrauch unterschiedlicher Verkehrsmittel und das vermehrte Teilen von Fahrzeugen erhöhen zudem die Effizienz des Verkehrssystems. Gemäss der Vision der GMS 2022 ist der Verkehr im Jahr 2050 klimaneutral, verursacht möglichst geringe Luft-, Lärm- und Lichtbelastungen, führt zu möglichst geringen Beeinträchtigungen der Biodiversität und beansprucht möglichst wenig Boden.
Regelmässiges Monitoring
Die GMS 2022 wurde von der Bau- und Verkehrsdirektion in Zusammenarbeit mit anderen Direktionen erarbeitet und ist für die Kantonsverwaltung verbindlich. Deren Umsetzung wird mit einem Monitoring und Controlling alle vier Jahre überprüft. Damit kann sie angepasst werden, sollte dies aufgrund der Erfahrungen oder neuer Entwicklungen nötig sein.
Was seit 2008 umgesetzt wurde: Einige Beispiele
Seit 2008 hat der Kanton Bern im Rahmen der Gesamtmobilitätsstrategie eine Reihe von Projekten und Massnahmen umgesetzt, um Verkehr zu vermeiden, zu verlagern und verträglich zu gestalten. Es zeigt sich, dass die Gesamtmobilitätsstrategie wirkt. Die Regionalen Gesamtverkehrs- und Siedlungskonzepte sowie die Agglomerationsprogramme Siedlung und Verkehr haben seit 2008 dazu beigetragen, den Verkehr und die Bedürfnisse der Siedlungen besser aufeinander abzustimmen, sowie den öffentlichen Verkehr und den Fuss- und Veloverkehr zu fördern.
Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr und Bau von Radwegen
Tram, Bus und Bahn werden im Kanton Bern immer häufiger genutzt: Zwischen 2005 und 2015 ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs von 20 auf 27 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil der Personen, die kein ÖV-Abonnement besitzen, von 44 auf 35 Prozent gesunken. 2019 verzeichnete der ÖV rund 259 Mio. Fahrgäste. Das entspricht gegenüber dem Vorjahr einem Wachstum von 1,7 Prozent. In den Jahren 2014 und 2019 wurde der Libero-Tarifverbund auf Biel, das Seeland, den Berner Jura und das Berner Oberland ausgedehnt. Das Angebot des öffentlichen Verkehrs auf der Schiene und auf der Strasse wurde in den letzten Jahren in allen Regionen gezielt verbessert und verschiedene Ortschaften neu erschlossen.
In der Stadt Bern wurde die Tramverlängerung vom Guisanplatz zum Bahnhof Wankdorf realisiert und der Bahnhof Bern (neuer RBS-Bahnhof und neuer Bahnhofzugang) wird ausgebaut.
Schliesslich hat der Kanton Bern in den vergangenen Jahren verschiedene Radwege umgesetzt, beispielsweise den Radweg Kernenried und den Radweg Burgdorf-Heimiswil.
Sanierte Ortsdurchfahrten, mehr Verkehrssicherheit, weniger Abgase
Seit 2008 wurden rund 75 Ortsdurchfahrten saniert und 275 Einzelprojekte zur Verbesserung der Verkehrssicherheit umgesetzt. Darunter sind Projekte wie die Sanierung der Ortsdurchfahrten Huttwil, Lyss, Worb und Münsingen (im Bau) oder die Nordumfahrung Saanen. In Thun wurde der Bypass Thun Nord realisiert und in Betrieb genommen. Und im kommenden Jahr wird die Umfahrung Wilderswil fertiggestellt. Der Kanton Bern hat schliesslich auch 72 Kilometer lärmmindernde Beläge eingebaut, davon über 25 Kilometer allein im vergangenen Jahr.
Der Schadstoff-Ausstoss aus dem Strassenverkehr hat seit den 1990er Jahren laufend abgenommen – trotz einer deutlichen Zunahme des Verkehrs. Die Entwicklung ist die Folge von immer strengeren Abgasnormen und Vorschriften für die Treibstoffqualität.
Blick in die Zukunft: Tramprojekte, Ausbauten im Bahnknoten Bern, Verkehrssanierungen, Elektromobilität und Veloverkehr
In den kommenden Jahren setzt der Kanton Bern gestützt auf die überarbeitete Gesamtmobilitätsstrategie laufend weitere Projekte um. Darunter sind Vorhaben wie «Zukunft Bahnhof Bern», das Tram Bern – Ostermundigen, die Tramverlängerung Kleinwabern, die Verkehrssanierungen Burgdorf-Oberburg-Hasle («Emmentalwärts») und Aarwangen sowie das Verkehrsmanagement Region Bern Nord. Das Amt für Umwelt und Energie hat mit der Wyss Academy das Projekt «CO2-neutrale Tourismusregion Oberland-Ost, Jungfrau, Interlaken» gestartet mit dem Horizont 2030, auch für den Bereich Mobilität. Damit sollen Innovationen für die gesamte touristische Verkehrskette vorangetrieben werden. Weiter sollen Gemeinden und Regionen Hilfe für einen koordinierten Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge erhalten und die Erstellung von Ladeinfrastruktur bei Neubauten soll rechtlich verankert werden.
Geplant sind schliesslich auch zahlreiche Verbesserungen der Veloinfrastruktur, insbesondere die Umsetzung von sogenannten Velovorrangrouten sowie die Elektrifizierung der ÖV-Busflotte.